Wenn ich an manchen Wochenenden von München in meine Heimatstadt Regensburg fahre entscheide ich mich nicht selten für eine Fahrt über Land. Das ist super entspannend! Gerade um nach einer anstrengenden Woche etwas herunter zu kommen, oder einfach nur um die Gedanken beim Blick aus dem Fenster etwas kreisen zu lassen. Ich mag Autofahren. Es gibt so schöne Ortschaften zwischen diesen beiden Städten. Ein Traum ist es zum Beispiel, durch die Hallertau zu fahren. Dann nämlich, wenn die Hopfenfelder Hochsaison haben. Wunderbare Orte entlang von A9 und A93, die man viel zu leicht mit „Autobahn“ verbindet. Ein Trend allerdings, der seit Jahren anhält, stört immer häufiger das Ortsbild vieler kleiner Dörfer bzw. Vororte: Die Toskana-Villa – Der Drang vieler Menschen, sich den Urlaub ganzjährig ins oberbayerische Schweitenkirchen oder nach Niederbayern zu holen. Die Zypresse im Garten vor der Veranda und ganz wichtig: Der Portikus vor der Eingangstür im Landhausstil in Sichtweite zum Hallertauer Aromahopfen. Vor diesen Bauwerken stehen rundgekugelte Buchsbäumchen in gepflegtesten Auffahrten. Die Dachziegel werden entweder hochglänzend bestellt oder fleckig auf die in dieser Gegend eigentlich gar nicht so üblichen Walmdächer geklatscht: Noch besseres Urlaubsfeeling! Logisch! Sozusagen, der Vintage-Look für Dachziegel.
„Lieber Architekt! Baue mir doch so etwas, das so aussieht als ob…“ – Selten freuen sich Architekten über ein solches Bauherrengespräch. Am liebsten möchten Sie diese Aufträge gar nicht erst annehmen. Lehnen sie diesen Auftrag aber ab, geht ihnen das Honorar verloren und die Toskana-Villa wird trotzdem gebaut. Vom Bauträger XY nämlich. Der macht wenigstens, was man ihm anschafft!
Aber ist der Toskana-Stil eigentlich so falsch? Wenn ihn doch viele Menschen in Deutschland so gerne haben und ihn gut finden? Warum erdreisten sich sogenannte „Gestalter“ und „Schwarzträger“ zu entscheiden was für die Menschen hierzulande richtig und vor allem „schön“ ist. Ist doch letztlich Geschmacksache. Ist es eben nicht! Diese Solitäre fantasiereicher Urlaubsträume entspringen keinem architektonischem Stil. Sie haben nicht mal einen realen Ursprung. Denn letztlich nennt man diese Bauten zwar „Toskana-Villen“ müsste sie aber in Wahrheit wohl als „Toskana-Mallorca-Portugal-Südfrankreich-Villafinca“ betiteln um dieser sagenhaften Vielfalt überhaupt annähernd gerecht zu werden. Am Ende bleiben sie, für was sie von nicht einmal so wenigen Menschen gehalten werden: Wilde Kopien ohne traditionellen Ursprung! Es bleibt eben einfach ein: Aussehen wie…!
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Die Toskana ist ein wunderbarer Fleck Erde. Und auch die Architektur in dieser hügeligen Landschaft, die in Gedanken eigentlich sowieso immer in angenehmes sanftes oranges Abendlicht getaucht ist, ist wunderschön. Nur ist sie eben genau an diesem Fleck entstanden. Sie hat eine architektonische Geschichte und wurde an kulturelle und klimatische Voraussetzungen angepasst. Eben ähnlich wie sich zum Beispiel die verschiedenen Dachformen in unseren Breiten entwickelten. Niemals käme ein Mensch auf die absurde Idee, das ohne Zweifel wunderschöne bayerische Jurahaus in Roms Vororte oder in die Hügel bei San Gimignano zu verpflanzen. Sinnvoll wäre es ja, da die Dachform hervorragend dafür geeignet ist, die hohe Schneelast in der Region Lazio zu tragen.
Was ich damit sagen möchte: Wenn mandiesen Baustil in irgendeiner Form nach Deutschland übertragen möchte, so sollte diese Transferleistung pfiffig von statten gehen. Man sollte sich mit dem Baustil der Toskana bewusst auseinandersetzen und wenn wirklich gewünscht „gut kopieren“ und in eine mit unserem Bestand verträgliche Lösung konvertieren. Ich möchte wirklich niemandem vorschreiben, wie er zu wohnen hat. Bei uns bedienen sich viele Bauherren allerdings eines wilden Gedächtnisbaukastens, der am Ende alles ist. Nur eben nicht authentisch und schon gar nicht individuell, da der selbe Mix an verzogener Urlaubsromantik nur einen Steinwurf entfernt bereits schon einmal errichtet wurde. Das Versäumnis liegt aber nicht bei den Menschen. Das Versäumnis liegt letztlich darin, dass den Menschen in unseren Breiten kein Sinn und kein Gespür für Architektur und Gestaltung in Form von Sensibilisierung im Kinder- und Jugendalter oder ordentlichen B-Plänen mit an die Hand gegeben wird. Die Entscheidung wie man wohnen möchte, trifft schließlich jeder Mensch für sich allein. Ein jeder „wohnt“ ja irgendwie. Schon von Geburt an und ist daher Profi mit jahrelanger Erfahrung. In Zeiten in denen in den Innenstädten immer häufiger Gestaltungsbeiräte zum Einsatz kommen ist das alles zumindest fragwürdig, auch wenn mir bewusst ist, dass man nicht in jedem noch so kleinen Vorort, bei jedem noch so kleinen Einfamilienhaus die Gestaltungspolizei spielen sollte. Manchmal sollte träumen aber erlaubt sein.
Geschmacksache eben…