BIM in der Architektur: Keule oder Zauberwort?
Ist die Collaboration wirklich der zentrale Benefit der zu oft zitierten Planungsmethode?
Vor elf Jahren, als ich bei einem großen Bausoftware-Hersteller als Produkt-Marketing-Manager tätig war, schien das Konzept des Building Information Modeling (BIM) überall präsent zu sein. Es war ein ständiges Echo in der Baubranche, ein Schlagwort, das Innovation und Fortschritt versprach. Als Moderator vieler Vorträge und Befürworter von BIM sah ich darin die Zukunft der Bauplanung – ein universelles Werkzeug, das die Branche und im speziellen die Zusammenarbeit, also die „Collaboration“ revolutionieren sollte. Und noch heute scheint BIM und die „Collaboration“ in aller Munde. Aber: das Augenrollen bei Erwähnen der BIM-Arbeitsweise verbreitet sich zusehends.
Standard hin oder her…
Im Laufe der Jahre zeigte sich, dass die BIM-Implementierung nicht ohne Hindernisse ist. Ein zentrales Problem dabei ist das Fehlen eines einheitlichen Standards und die daraus entstehende Konfusion aller angesprochenen Architekten und Ingenieure. Man mag es vielleicht nicht gerne hören, aber ohne eine ernsthafte Zahl zu kennen behaupte ich 70-80% der Büros arbeiten nicht voll umfänglich nach irgendeinem „genormten“ oder in irgendeiner Form festgelegten Standard. Selbst wenn sie „BIM-fähig“ sind oder sich gar so nennen. Ein echter Standard entsteht in meinen Augen auch nicht durch Festlegung, sondern weil er die effektivste und allgemein praktikabelste Methode für eine Aufgabe darstellt.
Die Angst-Argumentation und der unterdrückte Spieltrieb
Zudem brachte die digitale Bauindustrie das Akronym BIM in Umlauf, und viele Architekten und Ingenieure sollten sich instant unter Druck gesetzt fühlen, sich bis 2022 auf diese Arbeitsweise umzustellen. Und jetzt? Wir schreiben das Jahr 2024 und passiert ist natürlich wieder nichts gravierendes. Die industriell angestachelte Umstellung verläuft bis heute oft schleppend und bisweilen chaotisch. Sicher: Die Büros sind durchaus ein paar Schritte weiter als noch vor 10 Jahren und vielleicht auch wirklich „bimiger“ als noch damals. Das liegt aber auch an den jüngeren Inhabern die nach und nach die Bürolandschaft innerhalb Deutschlands verändern und so ganz natürlich digitalere Arbeitsmethoden implementieren. Und zudem wurde BIM von sämtlichen aus dem Boden schiessenden BIM-Beratern und -Experten als eine Methode voller anspruchsvoller Anforderungen und Regularien dargestellt, die viele Planer nicht erfüllen konnten. Den natürlichen Spieltrieb den eine solche Methode bei Architekten befeuert hätte, hat man damit durch Regeln und Klassifizierungen im Keim erstickt.
Heute, nach mehr als zwei Jahrzehnten in der Baubranche, sehe ich die Dinge klarer. BIM ist zwar nicht tot, aber seine Bedeutung (und zwar die im Bezug auf die Prozesse und nicht auf Standardisierung durch staatliche Stellen o.ä.) sollte neu definiert werden. Jeder Planer, Architekt und Ingenieur sollte BIM in einer Weise nutzen, die seine individuellen Prozesse beschleunigt – nicht vorrangig für die Zusammenarbeit mit anderen Büros, sondern zur Effizienzsteigerung im eigenen Büro. Sei es beim Zeichnen von Schnitten, Grundrissen, der Kollisionskontrolle oder bei der Ermilttlung von Mengen und Kosten. Keine Frage: Die kollaborative Argumentation hat ihre Berechtigung. Bei internationalen Leuchtturmprojekten. Aber nicht unbedingt in Bad Wildflecken, Chamerau, Lingen an der Ems oder wo auch immer, wo die digitale Collaboration anhand von verschiedenen Fachmodellen bei Wohnbebauungen, Bürogebäuden, Sporthallen oder ähnlichem eben nicht oder kaum praktiziert wird.
Was wir brauchen, ist eine Verschiebung des Fokus: weg von BIM als einem allumfassenden Zwangsinstrument, hin zu dem was es letztlich runtergebrochen einfach ist: eine modellbasierte und bauteilorientierte Arbeitsweise, die vielleicht auch noch eine schnellere, ressourcenschonendere und mit Informationen angereicherte Planung ermöglicht. Dies ist letztendlich dann nicht nur im Sinne der Nachhaltigkeit, sondern auch für die interne Effizienzsteigerung von Vorteil.
Erlaubt ist was hilft.
BIM war und ist ein mächtiges Konzept mit vielversprechendem Potenzial. Es ist aber an der Zeit, dass man die Argumentation neu denkt. Statt Architekten und Ingenieuren im Marketingsprech ständig mit der „BIM-Keule“ auf die Zwölf zu klopfen, sollten wir sie ermutigen, die modellbasierte und bauteilorientierte Methode anzunehmen. Denn das ist ja auch state of the art! Wer heute noch Pläne im 2D anfertigt überlebt zwar genauso gut, könnte aber durchaus effizienter sein, mehr Projekte in der selben Zeit stemmen und letztendlich auch höhere Honorare einfahren. BIM sollte nicht als Belastung oder gar nervig, sondern ganz selbstverständlich als Werkzeug gesehen werden, das den Planungsprozess verbessert und letztendlich zu einer besseren, nachhaltigeren Baukultur beiträgt. Ob wir es dann als „BIM“ oder hoffentlich irgendwie anders vermarkten (ohne Augenrollen hervorzurufen) ist letztendlich egal. Let´s play. ■