Verändere nie das Rezept vom Spitzenkoch
Qualität in der Architektur: Ein Wert jenseits der Kosten
In den letzten Wochen sind mir verstärkt Diskussionen über die gestalterische Qualität und die Lebensqualität in Projektentwicklungen aufgefallen. Diese Diskussionen werden teilweise mit sehr deutlichen und auch (je nach Plattform) harschen Worten geführt. Auf der einen Seite stehen branchenfremde Laien, aber häufig auch Projektentwickler und Bauträger. Auf der anderen Seite sind es die Architekten und Stadtplaner, die die Qualität von Architektur und Städtebau kritisieren.
Soft Skill: Sensibilität für gute Gestaltung
Dabei wird die Qualität in Architektur und Städtebau von der einen Seite häufig mit hohen Kosten gleichgesetzt. In den Augen von Projektentwicklern, Bauträgern und privaten Bauherren bedeutet günstiges Bauen augenscheinlich auch, auf Aufenthalts- und Lebensqualität zu verzichten oder zumindest Abstriche machen zu müssen. Tatsächlich haben gestalterische Qualität, Gespür für Proportionen oder konkret eine gute Fassadenaufteilung, ein optimales Größenverhältnis von Kubatur zu Freianlage und somit die Aufenthaltsqualität im Städtebau nichts mit den Budgets der Bauherren oder der Bauträger zu tun. Yes! Sie sind sogar for free! Es handelt sich sozusagen um „Soft Skills“, die in jedes Budget passen sollten und von Projektentwicklern und Bauträgern dankend angenommen werden sollten. Architekten, Stadtplaner und Landschaftsarchitekten haben nicht umsonst eine mehrjährige Ausbildung genossen, um genau diese Themen mit höchster Sensibilität in Projektplanungen umzusetzen.
Sensibilität wecken!
Die Basics für dieses Gespür für Qualität haben die Profis in der Planung vielleicht bereits in frühester Kindheit vom Elternhaus, spätestens aber in einem mehrjährigen Studium an Akademien, Universitäten oder Hochschulen mit auf den Weg bekommen, um sie in ihrer Arbeit einzusetzen. Eigentlich sind es aber Themen der Allgemeinbildung, die wir unseren Kindern und Jugendlichen mitgeben sollten. Architektenkammern versuchen das immer wieder mit „Architekturschulbussen“ oder anderen mehr oder weniger bemühten Projekten, die aber in meinen Augen vor allem wiederum diejenigen erreichen, die sich ohnehin schon für Architektur interessieren.
Wenn wir aber ernsthaft einen Wandel in der Architekturqualität erreichen wollen, müssen wir (Architekten, Stadtplaner, Gestalter etc.) dringend mehr (wohl ehrenamtliches) Engagement einbringen. Es bringt auch nichts, wieder einmal ein „Schulfach“ zu fordern, wie es so oft von vielen anderen Industriezweigen gefordert wird, um ihre Themen in der Gesellschaft zu verankern.
Wir brauchen mehr Influence!
Eine positive Chance sehe ich in den sozialen Medien. Auch wenn ich kein großer Fan von Instagram und TikTok bin, da die Kommentarspalten hier eigentlich nur für Hate-Speech und vor Rechtschreibfehlern strotzenden geistigen Unsinn genutzt werden, zieht mich das tatsächlich runter, und so habe ich kaum Lust, mich damit ausgiebiger zu beschäftigen. Wenn wir es aber schaffen, echte Architektur-Influencer zu etablieren, die genau erklären, was gute Gestaltung ausmacht, dann haben wir den ersten Hebel zumindest schon einmal in der Hand. Das kann und sollte vielleicht sogar über die viel besagte Generation Z laufen. Denn ähnlich wie ich meine Position als Architekturvermittler sehe, sehe ich Personen aus der Generation Z als Generationsvermittler, die den Schlüssel zu ihren Altersgenossen kennen und zu nutzen wissen.
Das Rezept vom Spitzenkoch wird auch nicht verändert
Letzten Endes möchte ich in meinem heutigen Blog-Artikel vor allem dafür werben, dass Projektentwickler und Bauträger auf die Gestaltungsansätze von Architekten und Stadtplanern vertrauen und diese auch für ihre Entwurfsplanung einsetzen und nicht In-House selbst erledigen. Die Qualität in der Ausführung und somit die Kosten stehen doch auf einem ganz anderen Blatt. Ich kann für ein und dasselbe Gericht sowohl im Delikatessengeschäft als auch beim Discounter meine Lebensmittel einkaufen. Das Rezept vom Spitzenkoch wird dadurch nicht maßgeblich beeinflusst. Die Raffinesse von Würze und Geschmack bleibt erhalten. ■