„Sie erreichen mich im Wald.“
Wie sich mein Arbeitsalltag durch die Selbständigkeit signifikant änderte.
Irgendwie fühlt sich die Corona-Krise und die damit verbundenen Auflagen ja Lichtjahre entfernt an. Die Entscheidung, mich selbständig zu machen, fällte ich aber genau während dieser Zeit. Große globale Veränderungen und Verunsicherungen waren überall zu spüren. So auch bei meinem alten Arbeitgeber. Die Business-Unit in welcher ich arbeitete wurde umstrukturiert und arbeitete fortan nur noch als interner Dienstleister. Vertrieb und Marketing waren dort also hinfällig. Und so hätte ich mich damals mit höchst unattraktiven und unkreativen Jobs im Konzern halten müssen. Das wollte ich nicht. Und so entschied ich mich aus meiner nebenberuflichen eine hauptberufliche Selbständigkeit zu machen.
Aus der Corona-Krise in die Selbständigkeit
Die Corona-Krise führte viele Arbeitnehmer nachhaltig ins Homeoffice. Mich hat das ganze so aber jedoch auf einen vollständig neuen Pfad gelenkt. Ich war nun selbständig. Ganz ohne Büro-Alltag, ohne Kollegen und ohne soziale Interaktion während des Arbeitsalltages. Anfangs hatte das ganze nicht nur meine Produktivität beinflusst, sondern auch mein gesundheitliches Wohlbefinden.
Die früheren Arbeitstage, in denen ich als Angestellter in einem Büro arbeitete, waren geprägt von Struktur und sozialer Interaktion. Pausen wurden gemeinsam mit Kollegen bei einem gepflegten Mittagessen oder einer Tasse Kaffee verbracht – Momente, die nicht nur zur Entspannung dienten, sondern auch den Teamgeist stärkten und den sogenannten „Flurfunk“ am Laufen hielten. Als ich mich jedoch selbständig gemacht hatte, fand ich mich Zuhause wieder. Am Schreibtisch, ohne die üblichen Bürostrukturen. Ich war gezwungen meinen Arbeitsalltag völlig neu zu denken und selbst zu strukturieren.
Kampf der Corona-Wampe. Mehr Bewegung im Alltag.
Die Selbständigkeit brachte nämlich nicht nur Freiheiten, die ich sonst nicht hatte. Sie brachte auch soziale Isolation und gesundheitliche Herausforderungen die durch ständiges Zuhause sitzen, wenig Bewegung und schlechte Corona-Ernährung wahrscheinlich nicht nur ich bemerkte. Irgendwann wollte ich dem ganzen entgegenwirken und entschied mich, Bewegung in meinen Alltag zu integrieren. Anfangs mit dem ganz einfachen Ziel, aktiver zu sein, Gewicht zu verlieren, wieder mehr Kondition zu haben, beim Hobby-Eishockey wieder „schnell“ zu sein und so weiter. Doch bald realisierte ich, dass diese strammen Spaziergänge im Wald mehr sein könnten als nur eine Pause vom Arbeitsalltag. Sie boten die Möglichkeit, Arbeit und Gesundheit in Einklang zu bringen.
Arbeiten während des Spaziergangs. Für mich ein Game-Changer.
Erstmals festgestellt hatte ich das, als ich vor einer Aufgabe an meinem Rechner saß und circa 15 Word-Dokumente über die Produktpalette eines Kunden in mein Email-Postfach eintrudelten. Ich musste diese dringend bis zum kommenden Vormittag durchgelesen und verstanden haben, damit ich mit diesem Kunden das angepeilte Projekt starten konnte. 15 Word-Dokumente?!? Lesen? Jetzt sofort?!?
Die Vorstellung weckte weder in ausgedruckter Form noch vor dem Computer Begeisterung in mir. Nach ca. 1 Stunde Prokrastination hatte ich eine Idee: Ich lies mir die Dokumente als Audio-Datei von einer angenehmen KI-Stimme generieren, nahm meine Wanderschuhe und verliess das Haus. Innerhalb einer Stunde hatte ich die 15 Word-Dokumente insgesamt dreimal angehört und wirklich gut verstanden um was es ging und ich hatte Bewegung in meinen Tag gebracht. Das war für mich der Inbegriff an effizienter Zeitnutzung.
Bewegen statt dumpf in den Bildschirm schauen.
Seit diesem Tag nutze ich meine tägliche Bewegung für vielerlei Arbeit die ich ansonsten „denkend“ oder „überlegend“ am Rechner sitzen würde. Man muss die Tätigkeiten halt vorab identifizieren und vielleicht „sammeln“. Viele meiner Kundengespräche und kreativen Prozesse habe ich seitdem so in den Wald hinter meinem Haus verlagert. Die Umgebung, die frische Luft und die Ruhe im Wald regen meine Kreativität an und schaffen tatsächlich Raum für neue Ideen. Während ich durch den Wald spaziere, entwickle ich Konzepte, spreche Gedanken lose in mein Telefon und entwerfe Grundstrukturen für Texte. Selbst dieser Artikel hier entstand in einer solch inspirierenden Atmosphäre. Nach der Rückkehr an meinen Schreibtisch gebe ich den Ideen, den Entwürfen oder den Konzepten den richtigen Schliff. Diese Vorgehensweise hat sich für mich persönlich als ungemein produktiv erwiesen und unterstützt mich nicht nur in meiner kreativen Arbeit, sondern trägt auch zu meinem persönlichen Wohlbefinden und meiner körperlichen Gesundheit bei.
Offen und ehrlich: „Sie erreichen mich gerade im Wald.“
Und wenn ich mal ans Telefon gehe und etwas ausser Atem bin, dann werde ich schon mal gefragt wo ich mich denn gerade befinde. Ich antworte dann auch immer unverblümt und ehrlich: „Im Wald.“ und erzähle dann auch gerne diese Geschichte. Die Entscheidung meinen Arbeitsalltag flexibel zu gestalten und den Wald als Teil meines Büros zu betrachten, war einschneidend. Es zeigt, dass die Bindung an einen festen Arbeitsplatz für mich persönlich nicht zwingend notwendig ist, um produktiv und kreativ zu sein. Vielmehr hat die Verbindung von Arbeit und Natur mein Leben bereichert, meine Gesundheit gefördert und letztlich auch die Ergebnisse meiner Arbeit verbessert. In einer Welt, die oft von Hektik und Bildschirmarbeit dominiert wird, bietet mein Ansatz eine willkommene Alternative, die zu mehr Zufriedenheit und vor allem zu mehr Ausgeglichenheit führt.
Mir ist bewusst, dass dieser Weg für die meisten beruflich nicht anwendbar ist. Ich möchte damit aber nur mal zum Nachdenken anregen, wie man seinen Arbeitsalltag abwechslungsreicher, kreativer und gesünder gestalten kann. Ich denke, es gibt noch viel mehr Möglichkeiten. ■