Der ökologische Holzbau
Ein Pfeiler, aber nicht das Fundament der nachhaltigen Bauwende
Immer wieder sehe ich auf Linkedin, wie ein neues Bauprojekt nach dem anderen nachhaltig im ökologischen Holzbau durchgeführt wird. In der aktuellen Debatte um diese eine Nachhaltigkeit in der Bauindustrie steht der ökologische Holzbau meist werbewirksam im Rampenlicht. Dank seiner Fähigkeit, CO2 zu binden und im Vergleich zu traditionellen Baustoffen wie Ziegel und Beton deutlich weniger CO2 zu verbrauchen, gilt er vielen zurecht als der große Schlüssel zur Bauwende. Doch ist es wirklich angebracht, jedes neue Holzhochhaus, das als das “größte seiner Art” beworben wird, unkritisch als Meilenstein der Nachhaltigkeit zu feiern?
Die Grenzen des Holzbaus
So beeindruckend die Errungenschaften im Holzbau auch sein mögen, sie führen uns vor Augen, dass eine alleinige Fokussierung auf Holz als Baumaterial zu kurz greift. Würde Deutschland oder gar Europa sämtliche neue Bauvorhaben, rein hypothetisch ausschließlich in Holzbauweise umsetzen, stünden wir bald vor einer neuen Nachhaltigkeitsdebatte – diesmal aufgrund der Übernutzung unserer Wälder. Die Ressource Holz wächst nicht so schnell nach, wie es ein massiver Bauboom erfordern würde.
Mehr als nur Holz: Die richtige Wahl des Materials
Eine ehrliche und klare Bewertung, welches Material und welche Bauweise für ein bestimmtes Projekt die richtige ist, wird immer wichtiger. Der Einsatz von Holz aus reinen Marketinggründen, um Projekte als nachhaltig zu labeln, ohne die Folgen gründlich zu bedenken, ist ein Trugschluss. Nachhaltigkeit im Bauwesen erfordert eine differenzierte Betrachtung, die über die Statik und Finanzierbarkeit eines Holzhochhauses hinausgeht.
Weg von der Eindimensionalität
Die Bauindustrie muss sich von der Vorstellung lösen, dass der ökologische Holzbau allein der Weg zur Bauwende sei. Es bedarf einer ehrlich mehrdimensionalen Denkweise, die bereits zu Beginn eines Bauvorhabens kritische Fragen stellt:
Was wird gebaut? Welches Material ist dafür am geeignetsten? Und vor allem: Könnte der Bestand auf dem Grundstück nicht bereits genug Potenzial bieten, um eher eine Renovierung in Betracht zu ziehen, anstatt bestehende Gebäude abzureißen und damit Unmengen an Sondermüll zu produzieren?
Planen und Bauen im Bestand
Die Renovierung und der Umbau von Bestandsgebäuden sind entscheidende Hebel für eine nachhaltige Bauwende. Dieser Ansatz erhält nicht nur das Stadtbild, sondern bereichert es oft durch die Wiederbelebung alter, verfallener Gebäude, die mit moderner Gestaltung erneut erstrahlen.
Kreislaufwirtschaft: Der dritte Hebel
Die Idee der Kreislaufwirtschaft, oft unter den Begriffen “Circular Economy” oder “Cradle to Cradle” zusammengefasst, wird zwar häufig genannt, aber selten konsequent umgesetzt. Ein Umdenken weg von der Vorstellung, dass wiederverwendete Materialien minderwertig sind, hin zu einem Verständnis ihrer Potenziale, kann die Bauindustrie revolutionieren. Wir müssen den Gebäudelebenszyklus als wahren Zyklus begreifen, der mit dem Rückbau nicht endet, sondern Materialien und Elemente für neue Bauvorhaben bereitstellt. Alte Gebäude sozusagen als Rohstoffquelle für neue, wirklich nachhaltige Architektur begreifen.
Ein ganzheitlicher Blick auf Nachhaltigkeit
Letztlich kann der ökologische Holzbau allein nicht die Bauwende herbeiführen. Eine nachhaltige Bauweise erfordert eine ganzheitliche Sichtweise, die verschiedene Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Nur durch eine Kombination aus dem intelligenten Einsatz von Holz, der Wertschätzung und Nutzung von Bestandsgebäuden sowie der Förderung der Kreislaufwirtschaft können wir eine echte, positive Veränderung in der Bauindustrie herbeiführen. Der Schlüssel liegt in einer mehrdimensional gedachten, nachhaltig ökologischen Bauweise, die über den Holzbau hinausgeht und die Ressourcen unseres Planeten respektiert.■