Qualität von Wohnraum versus Gewinne?
Wie höhere Verkaufspreise sehr häufig zu Lasten der Architektur gehen.
In meiner langjährigen Tätigkeit im Bereich des Architektur- und Immobilienmarketings, aber vor allem auch in der Planung von Wohn- und Arbeitsraum selbst, habe ich einen scheinbar zeitlosen Trend in der Immobilienbranche beobachtet: Die „Effizienz“ eines Gebäudes, oft definiert als das Verhältnis von Bewegungsflächen zu Wohnraum, wird eigentlich immer auf “Teufel komm raus” optimiert, um höhere Umsätze und Gewinne zu erzielen. Doch diese Optimierung geht doch an sich immer zu Lasten der architektonischen und vor allem der Aufenthaltsqualität.
Rendite über alles?
In vielen Projektentwicklungen wird versucht, die „verkaufbare Fläche“ maximal auszunutzen. Ich erinnere mich an meine Anfangszeit als Architekt, als in einem Montags-Jour-Fixe-Termin mit dem Projektentwickler die Frage aufkam, ob die Trockenbauwände ein- oder zweifach beplankt geplant sind. Auf meine Antwort, dass diese zur Geräuschminderung im Büro zweifach beplankt sind wurde mir recht schnell deutlich gemacht, dass es sich in besagtem Projekt um ein Bürogebäude für einen einzelnen Mieter handelt, der wohl damit klarkommt, wenn das ganze etwas „hellhöriger“ wird. Da ich selbst erst aus dem Studium raus war dachte ich mir, der Bauherr möchte hier Kosten einsparen. Sofort rechnete er mir aber vor, dass durch die gewonnenen rund 0,15 Quadratmeter pro Büro da übers gesamte Gebäude schnell mal 12-15 Quadratmeter verkaufbare Fläche mehr zusammenkommen. Was in München zur damaligen Zeit wohl auch schon circa 70.000-80.000 Euro mehr Geld bedeutet hatte. Wirtschaftlich also wirklich nachvollziehbar. Alleridngs alles zu Lasten der Qualität des Gebäudes bzw. der späteren Eigentümer/Mieter im Gebäude.
Die Folgen der Kompression und Ausreizung
Es sind ganz oft die kleinen Dinge, die mir auch heute noch auffallen, wenn ich mir aktuelle Projektentwicklungen anschaue oder einfach Freunde besuche, die in solchen Gebäuden wohnen und leben. Ein Schlafzimmer, das kaum Platz für ein Doppelbett lässt, oder Wohnungen, die so konzipiert sind, dass sie „auf dem Papier“ zwar funktionieren, aber in der Realität kaum lebenswert sind, weil sie bedrückend oder beengend wirken.
Diese “Planungsmängel” resultieren aus dem Bestreben heraus, auf jedem Stockwerk möglichst viel Wohnraum zu schaffen – selbst wenn dies bedeutet, dass jede Wohnung um ein paar Zentimeter Lebensqualität beschnitten wird.
Das Dilemma in der Planung
Solche Entscheidungen führen leider häufig zu Wohnungen, in denen die Bewohner den oft zitierten Satz: „Was hat sich denn der Architekt dabei gedacht?“ aussprechen und sich fragen, wie eine solche Planung zustande kommen konnte. Sie leben zwar ohne wirkliche Probleme in diesen Räumen, bemerken jedoch auch als Laien Defizite in der architektonisch funktionalen Qualität.
Die Qualität des Wohnraums
Wir sollten uns viel häufiger die Frage nach höherer Qualität im Wohnraum stellen. Ganz speziell hier in Deutschland, wo alles immer häufiger nach dem Motto “gut und billig” gebaut wird und dann als das Nonplusultra verkauft wird. Dies bedeutet nicht nur die ehrliche Verwendung hochwertiger Materialien und die Wertschätzung von guter Gestaltung, sondern auch die Berücksichtigung der Bedürfnisse und des Wohlbefindens der Menschen, die letztendlich in diesen Räumen leben werden. Es geht darum, ihnen das Gefühl von Qualität und Lebensqualität zurückzugeben und nicht auch noch den letzten Quadratzentimeter in bares Geld umzumünzen.
Die Herausforderung in der Immobilienentwicklung liegt darin, ein Gleichgewicht zwischen der Erzielung von Gewinnen und der Wahrung der architektonischen und der Lebensqualität der Bewohner zu finden. Dies erfordert vielleicht nicht unbedingt ein Umdenken einer gesamten Branche, aber die Bereitschaft sich selbst immer wieder daran zu erinnern, dass man sowohl wirtschaftliche als auch menschliche Aspekte in der Flächenmaximierung bedenken sollte. In einem holistischen Ansatz. Letztlich sollten wir uns immer die Frage stellen, was es wert ist, weiterverfolgt zu werden – bloße Rendite oder die nachhaltige Wohnqualität, die am Ende auch zu einer höheren Qualität in der Architektur und dadurch auch wiederum in höheren Verkaufspreisen resultieren. ■