FASZINATION OLYMPIA
Vor 8 Jahren entschied sich das Internationale Olympische Komitee für Winterspiele im entfernten Südkorea (Pyeongchang 2018) und gegen olympische Spiele in München. Der Stadt der olympischen Sommerspiele 1972. Tolle olympische Momente hätten 2018 auch in München stattfinden können. Ein Sportereignis, dass für mich mehr als nur der reine Wettkampf ist. Olympia, das ist für mich eine Faszination. Sehen Sie hier mein Videografie über den Münchener Olympiapark.
Es war am Samstag, den 13. Februar 1988. Ich war gerade einmal sieben Jahre alt und lag zwischen meinen Eltern im Bett und schaute mir ganz genau an was da gerade im TV über den Bildschirm flimmerte. Auf wilden Pferden reitende Cowboys in einem voll besetzten Stadion (auf dem Gelände der Calgary Stampede). Mitten im Winter. Meine Eltern erklärten mir dass das die „Olympiade“ wäre. Und ich? Ich war beeindruckt. So sehr, dass ich mich auch 30 Jahre später jedes Mal wenn Olympische Spiele anstehen wieder freue wie ein kleines Kind. Ich habe keine Spiele mehr versäumt und noch mehr sogar: Ich sauge sie förmlich auf. Erkenne jedes Logo, jedes Stadion und kann zu allen Spielen eine besondere Geschichte erzählen. Sozusagen sind die olympischen Spiele, mit ihrer ganz besonderen Stimmung mein ganz persönlicher Ausnahmezustand.
Der olympische Gedanke, die olympische Idee ist für mich dabei sozusagen der Kern jeder Begeisterung. Das Zusammentreffen tausender Sportler aus aller Herren Länder zum friedlichen Wettkampf ist für mich jedes Mal wieder der Grund für meine fast schon übertriebene Faszination. Es ist für mich sogar noch mehr als nur „Dabei sein ist alles!“ – das Motto das so viel mehr ist als nur ein kurzer Satz, der mittlerweile fast schon inflationär in sämtlichen Bereichen des alltäglichen Lebens verwendet wird. Wenn absolute „Nobodys“ ganz plötzlich im Licht der Bewunderung stehen, oder ganz einfach nur stolz sind, dass sie ihr Land beim größten Sportereignis der Welt vertreten dürfen. Wenn die langjährigen Träume der Sportler Wirklichkeit oder vielleicht doch vollständig hinter den Erwartungen zurückbleiben. Ein emotionaleres Sportereignis in all seinen Facetten gibt es kein zweites Mal für mich.
Verschiedenste Olympische Geschichten faszinieren und rühren zu Tränen. Gut, das bringt der Sport an sich schon mit. Bei Olympia ist dies noch etwas schöneres. Sportler, die vier Jahre oder vielleicht schon ihr ganzes Leben lang darauf hingearbeitet und davon geträumt haben erreichen alles, oder waren eben einfach nur dabei und haben damit schon ihr größtes Ziel erreicht.
Wegen all diesen Dingen fasziniert mich Olympia! Und weil München für mich als Regensburger seit jeher in meinem Dunstkreis und seit sechs Jahren auch mein Wohnort ist, habe ich mich auch von frühester Kindheit an mit dem Olympiapark in München auseinandergesetzt. Im Prinzip ist dieser Park die Verkörperung meiner Faszination für Olympia und so möchte ich meine Faszination für Olympia und den Münchner Olympiapark gerne weitervermitteln.
SEHNSUCHTSORT OLYMPIAPARK MÜNCHEN
Schon als kleiner Knirps war die Fahrt nach München, sei es zu irgendwelchen Museen oder in den Tierpark dadurch von Interesse, da man aus Regensburg kommend über den mittleren Ring häufig bis immer direkt an den Bauten der olympischen Spiele von 1972 vorbeikam. Fast zwangsläufig. Und jedes Mal strahlte dieser Park für mich eine Faszination aus, die ich nur schwer in Worte fassen kann. Sozusagen war dieser Park der Ausdruck eines Weltereignisses, dem ich leider nicht beiwohnen konnte, weil ich noch gar nicht geboren war. Oder besser gesagt, fühlte sich das passieren des Olympiaparks mit seinen Zeltdächern und seinen einzigartigen Bauten für mich an, wie wenn man den Papst und den Bundeskanzler an einem Tag auf der anderen Straßenseite antreffen würde und nun jedem seiner Freunde davon erzählen möchte. Ja, für mich war und ist der Olympiapark eine Art Prominenz. Als Kind konnte ich das nicht in Worte fassen warum. Letzten Endes erkenne ich aber in den letzten Jahren warum dieser Ort für mich einen so hohen Stellenwert hat. Eben wegen der vorhin genannten Faszination Olympia, aber auch und gerade wegen seiner Vergangenheit und seiner einzigartigen baulichen Anlage. Der Park ist so vieles: sportlicher Sehnsuchtsort, Mahnmal, ein Zeugnis großartiger Architektur, Ingenieurbaukunst und Landschaftsgestaltung.
Wenn ich heute in den Olympiapark gehe, stelle ich mir vor wie es wohl vor 46 Jahren während der olympischen Sommerspiele ausgesehen haben mag. Dann wehen vor meinem geistigen Auge die Flaggen von 122 teilnehmenden Nationen, das olympische Feuer brennt am Stadion und reges treiben herrscht auf dem Coubertin-Platz zwischen Olympiastadion und den Olympiahallen. Sportler und Besucher mischen sich zu einem fröhlichen und friedlichem Gesamtbild. Noch heute kann man den Geist von Olympia spüren, wenn man eine der Veranstaltungen auf dem Olympiagelände besucht.
Und trotzdem drückt auch heute noch das Olympiaattentat von 1972 auf die Stimmung. Als am 05.September 1972 acht palestinensische Attentäter nämlich elf Mitglieder der israelischen Olympiamannschaft als Geisel nahmen und die fröhlichen olympischen Spiele in München jäh unterbrachen. Vor knapp einem Jahr stand ich zum ersten Mal am neu eingeweihten Denkmal von Brückner&Brückner-Architekten mitten im Park und denke über diese Taten nach und merke wie froh wir Menschen über Frieden und Glück sein könnten, wenn wir es uns nur auch jeden Tag verdeutlichen würden.
Und trotzdem wurden die Spiele 1972 nach kurzer Unterbrechung fortgeführt und mit dem legendären Satz „The Games must go on!“ des damaligen IOC-Präsidenten Avery Brundage am 07.September 1972 zeigen die olympischen Spiele,dass sie zwar verwundbar sind bezogen auf ihre Fröhlichkeit, aber im Sinne der olympischen Idee dennoch zu einem friedlichen Miteinander aufrufen und mahnen können, ja müssen.
Und so sitze ich heute gerne im Olympiapark von 1972 und denke darüber nach wie es damals wohl gewesen sein mag. Und komme zu einem emotionalen Mix. Freundlich, friedlich, abscheulich und nachdenklich.
DIE ARCHITEKTUR VON STADIEN UND PARK
Die Architektur und die Gestaltung des gesamten Areals gehört als Ensemble zur architektonischen High-Society des 20. Jahrhunderts. Der Park, realisiert nach Plänen des Kasseler Landschaftsarchitekten Günther Grzimek, hat sich ins Leben der Stadt geradezu hineingeschweisst. Ob Naherholung oder Veranstaltungen, ob Sport oder Kultur. Der Olympiapark wird heute noch genauso genutzt wie schon vor fast 50 Jahren. Und im Gegensatz zu anderen olympischen Stätten wie zum Beispiel in Atlanta, wo nach den Jahrhundertspielen von 1996 Sportstätten wieder abgerissen und alles andere als ökologisch vertretbar waren, ist München nachhaltig. Die gesamten finanziellen wie technischen Mühen haben sich gelohnt. Der Park gehört heute zu München wie die Frauenkirche oder der englische Garten. Es entstand ein Wahrzeichen, was bei der derzeitigen zeitgenössischen Architektur nur wenige Bauten vermögen.
Grzimek plante den Park als öffentliche Grünanlage. Nicht nur priviligierte sollten den Park nutzen können. Nein. Der Park sollte für die Gesamtbevölkerung erfahrbar und vor allem auch nutzbar sein und gleichzeitig höchsten Ansprüchen an Gestaltung und Ökologie genügen. Wenn man sich diesen Gestaltungsansatz ins Gedächtnis ruft und sich im Olympiapark umsieht: Grzimek hats geschafft. Nicht nur für den kurzen Zeitraum von 2 Wochen. Nein! Nachhaltig und fest in Münchens Stadtkultur verankert.
DAS OLYMPIASTADION
Die charakteristische Zeltdachkonstruktion des Olympiaparks erstreckt sich vom Olympiastadion über die Olympiahalle bis hin zur Olympiaschwimmhalle. Sie kommt dabei aus einem Guss und liegt wie ein Spinnennetz im Morgentau einer Sommerwiese im bewusst gestalteten Olympiapark. Das Dach, welches wohl das größte Charakteristikum des gesamten Olympiageländes bildet war 1972 mit großer Beachtung verwirklicht worden. Auf Grund der hohen Spannweiten und der irrwitzigen statischen Belastung durch Gewicht, Wind und Schnee schien die Entwurfsidee des Architekten Günther Behnisch zu kippen. Die Fachwelt hielt es für eine kühne Vision, die nicht realisierbar zu sein schien. Der Architekt Frei Otto, welcher bekannt für seine Zeltdachkonstruktionen war und bereits 1967 auf der Weltausstellung in Montreal den deutschen Pavillon mit einer ähnlichen Dachkonstruktion auffiel, sprang Behnisch als Spezialist für die Dachkonstruktion zur Seite und realisierte sie. Herauskam das wohl beste Ensemble deutscher Architektur, welches sich fest in die Stadtsilhouette integriert hat.
Über den Entwurf des Architekten Günther Behnisch wurde in meiner Familie sozusagen beim Abendessen immer wieder bewundernd gesprochen. Schon früh kannte ich die Geschichte vom Modell des Olympiastadions und dem Nylonstrumpf und den Strecknadeln, die im Schichtenmodell aus Finnpappe das Münchner Olympiadach darstellten. Und wenn man sich dieses Modell aber auch die gebaute Wirklichkeit einmal genau ansieht fällt eines auf: Die Sportstätten sind Teil der Landschaft. Sie heben sich nicht im geringsten ab. Die Stadien und deren Dachkonstruktionen formen sich ganz natürlich aus der Landschaft heraus und bilden natürliche Amphitheater die vom Gesamtkonzept des Parks nicht differieren. Sie bilden gemeinsam mit dem Park eine Einheit. Die Disziplinen Landschaft, Architektur und Dach verschmelzen, perfekt orchestriert, zu einem Gesamtwerk. Es muss eine Meisterleistung der Kommunikation zwischen den einzelnen Planern,nämlich Grzimek, Behnisch und Otto gewesen sein. Das Konzept von den „Olympischen Spielen im Grünen“ geht vollends auf und das merkt der Besucher noch heute.
Und spielen die drei vorher genannten Disziplinen bereits gemeinsam wie ein gut aufeinander abgestimmtes Orchester, so vervollständigt dieses konzertierte Gesamtwerk die visuelle Kommunikation des wohl prägendsten deutschen Gestalters Otl Aicher. Die komplette Beschilderung, die Piktogramme, ja das gesammte Erscheinungsbild, das Corporate Design der Olympischen Spiele stammt aus Aichers Feder. Wie prägend Otl Aicher für jeden Deutschen tagtäglich ist, bemerken die wenigsten. Aber noch heute werden die Olympia-Piktogramme Aichers verwendet und sind wohl jedem ein Begriff. Auch ausserhalb Olympias ist Aichers Lebenswerk heute jedermann bekannt. Firmen wie Lufthansa, das ZDF, FSB, Bulthaup oder die Sparkassen und Raiffeisenbanken. Alle leben ihre Identität durch Erscheinungsbilder an denen Otl Aicher beteiligt war. Auch das, ein unwahrscheinlich schöner Teil der olympischen Spiele von 1972, denn noch heute merkt man den Charme der Spiele tagtäglich beim Betreten der Münchner U-Bahn. Die Olympischen Spiele veränderten die Infrastruktur der Stadt und bereiteten den Weg Münchens von der bayerischen Landeshauptstadt zur „Weltstadt“. München 72. Für mich in dieser Stadt zu jeder Zeit gegenwärtig. Ein „Weltkulturerbe Olympiapark München“ ist aus Folge all dieser Dinge für mich die logische Konsequenz und hoffentlich nur noch eine Frage der Zeit.
OLYMPIA! ICH HOFFE IMMER NOCH!
Und wenn ich dann auf dem Olympiaturm stehe und in Richtung Süden blicke — ich sehe die atemberaubende Kulisse der Alpen und das für mich so unverzichtbare Erbe der olympischen Spiele 1972, positives wie negatives, zeitgeschichtliches wie kulturelles, dann frage ich mich immer, was denn gewesen wäre, wenn die olympischen Winterspiele 2018 oder 2022 nicht in Pyeongchang sondern tatsächlich hier in München gewesen wären. Tolle Momente wie der Sieg der tschechischen Snowboardfahrerin Ester Ledecka im Ski-Alpinen Super G oder der historischen Silbermedaille der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft. Das alles hätte Teil der olympischen Erfolgsstory Münchens werden können. Doch in modernen Zeiten von Nolympia und Bürgerentscheiden gegen Olympia scheint der olympische Gedanke nichts mehr zu zählen. Mich persönlich ärgern die Argumente, da sie in meinen Augen hinken. Sicherlich ist die Vergabe großer Sportereignisse wegen Korruption deutlich und zurecht in Verruf geraten. Auch werden die Olympiaorte immer abwegiger und skurriler. Eine Fußball-WM im brasilianischen Dschungel oder in der Wüstenhitze Katars, olympische Winterspiele im abwegigsten Koreanischen Gebirge für die 50.000 Bäume nur wegen einer alpinen Abfahrtsstrecke abgeholzt werden und danach wohl nie wieder nachhaltig genutzt werden. Auch die Antidopingpolitik des IOC wird immer fragwürdiger. All das sind Argumente die man zwar erst einmal verstehen kann. Aber wegen all dem Olympia keine Chance mehr geben? Ich denke man muss den gesamten Olmypischen Auftrag am Ende wieder erkennen und sich zurückbesinnen auf das was Piere de Coubertin sicherlich auch gewollt hätte. Spiele bei denen die „Jugend der Welt“ friedlich zusammenkommt und gemeinsam ein Fest des Friedens feiert.
Argumente gegen Olympia wie „zu teuer“, „zu schmutzig“ und „wofür überhaupt“ finde ich zu kurz gedacht. Denn am Ende bewegen sich die Kritiker auf sehr regionaler Ebene. Denn blickt man auf die Umweltsauereien im brasilianischen Dschungel, in dem die Stadien einer Fußball-WM von 2014 verrotten und verfallen, oder auf abgeholzte Skipisten im koreanischen Gebirge auf denen wohl nie mehr wieder wirklich Wintersport getrieben wird, bemerkt man eines: Nachhaltiger und umweltfreundlicher wie in Städten, in denen Infrastruktur und Sportstätten bereits zu einem gewissen Prozentsatz vorhanden sind gehts eigentlich nicht. Auch die Argumentation „Olympia und Doping“ lasse ich nur bedingt gelten. Die olympische Idee wegen Doping-Idioten und einem verloren gegangenen Bewusstsein für die Grundwerte des fairen Sports an den Nagel zu hängen wäre die falsche Antwort. Das würde das Feld den anderen überlassen. Und so würde die Faszination Olympia nach und nach verschwinden. Vielleicht sollten wir Menschen in Deutschland generell wieder einmal mehr die Energie aufbringen um FÜR etwas zu sein, um FÜR etwas zu kämpfen, anstatt permanent und immer wieder Bürgerentscheide GEGEN etwas zu organisieren. Dann nämlich würden Bürgerentscheide auch nicht permanent von der „DAGEGEN“-Fraktion gewonnen, sondern würden auch wieder endlich etwas bewegen und begeistern. Von daher muss ich sagen: Auch wenn auf lange Sicht über Bürgerentscheide eine Olympiabewerbung Münchens wohl ausgeschlossen scheint: Ich, ich hoffe immer noch!
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